Der Zug hält in der hässlichsten Stadt Deutschlands. Ich muss da jetzt raus. Die Bahnhofshalle sieht noch genauso verdammt beschissen aus wie damals, verdreckt und verschmiert. Nur die Kneipe ist jetzt weg, dafür ist der Zeitschriftenladen vergrößert. Sie versuchen es schöner zu gestalten, doch das funktioniert nicht. Das ist wie wenn man versucht den Geruch nach Kotze auf der Clubtoilette mit Parfum zu übertünchen – klappt nicht. Kotze bleibt Kotze.
Der Busfahrer rümpft die Nase, als ich ihm mein Zugticket hinhalte. Scheint so, als möchte er lieber, dass ich nochmal bezahle, obwohl ich schon habe. Rentner steigen ein, Teenie-Mütter und ein Typ in einer Mischung aus Schornsteinfeger und Sadomaso-Kluft. Wir fahren an meiner alten Schule vorbei. Meine lieben Schulkameraden verbrachten zwischendurch mal Zeit in der Jugendstrafanstalt in Ottweiler, rauchten Gras auf dem Schulhof und beschimpften mich im Gang abwechselnd als “Knoche” (ja, damals wurde ich noch für dünn gehalten) oder wegen meiner Kleidung. Da in dem Copyladen, dort war früher ein Billardcafé. Dort wollte mal einer mit mir hingehen, der war zugezogen und wusste noch nicht, dass man mit mir nicht redet. Jetzt ist er gestorben – Autounfall. Schon lange her, ich muss trotzdem oft daran denken.
Wir fahren den Berg hinauf. Dort unten in den Army Shop ist damals ein guter Freund von mir eingebrochen, als er 14 Jahre alt war. Er hat mit uns allen geteilt. Ich steige aus, erledige meinen Kram, laufe wieder zurück in die Stadt. Alles sieht anders aus und ist doch gleich geblieben. Jeden Schritt kommen Erinnerungen hoch, auf die meisten könnte ich verzichten. Ich muss stehen bleiben, Luft schnappen, mich ablenken. Zurück, zurück zum Bahnhof. Ich laufe zu Fuß, nochmal in den Bus ertrage ich nicht. Da ist jetzt eine neue Bäckerei, dort arbeitet das Mädchen, das mich damals öffentlich auf seiner Website beleidigt hatte. Die auf dem Schulklo versucht hat in meine Kabine einzubrechen. Die mich auf dem Nachhauseweg angespuckt hat. Arbeitet sie? Nein, sie ist nicht da. Schade. Hätte gerne mal ein Brötchen bei ihr gekauft.
Wo früher der Edeka war, wo wir uns mit 13, 14 Jahren Alkohol gekauft hatten, ist jetzt ein Rossmann. Es gibt eine Rotlichtstraße kurz vorm Bahnhof, die ist fast gleich geblieben. Da war der Sexshop, wo Metty gearbeitet hat. Metty, der Kiffer, der von Weiherwasser und Marina sang. Der mir eine Bong angeboten hat, da war ich gerade 15. Gemütlicher Typ. Was er jetzt wohl treibt?
Ich steige in meine Regionalbahn ein, fahre 30 Kilometer zurück in die neue Heimat, in der ich jetzt schon über zehn Jahre lebe. Die Unruhe werde ich noch nicht los. Wie lange braucht es wohl, bis man vergisst, bis man “darüber steht”? Ich weiß es nicht. Kotze bleibt halt Kotze.
Zum Outfit: Diese Fotos entstanden in der wunderschönen Stadt Nancy, an die ich abgesehen vom fürchterlichen Essen und tollem Service in der Bar Suzette nur gute Erinnerungen habe.
30 Kommentare
Schönes Outfit 🙂
Wonderful elegance.Can i meet you the next time in Dijon?Dijon ia a beautiful like Nancy
Der Cardigan schaut wirklich schön aus! Und ich kann dich verstehen, genau deshalb bin ich so froh, jetzt aus meiner alten Gegend raus zu sein 🙂
Liebe Grüße,
Vita
grandioser Text. SO angesprochen habe ich mich glaube ich lange nicht gefühlt. Könnte ich geschrieben haben. Kurz davor gewesen ein paar Tränchen raus zu drücken als ich dran gedacht hab wie ich mal auf dem Heimweg im Bus angespuckt wurde. Kranke Leute bei uns. Ach und deine Jacke ist auch echt schön.
dresses-and-travels //@susandollparts
Wie immer sehr schön
so beautiful
http://melodyjacob1.blogspot.com/
Lovely outfit dear! xx
A
Head Enough
Wirklich toll geschrieben und sehr schöne Bilder.
Kann dich gut verstehen, ging mir in meiner alten Gegend auch so…
Übrigens toller Cardigan 🙂
Lg
Toller Text. Kann ich gut nachvollziehen, schlechte Erfahrungen, grade aus der Teenie-Zeit, in der man sowieso extrem verletzlich ist, bleiben einfach hängen. Ich glaub sogar für immer. Obwohl, wenn man selbst Kinder hat die "da durch müssen" dann wird´s vielleicht besser und es kommt einem nicht mehr wichtig vor. Nach dem Lesen lag mir so richtig ein Stein aufm Herzen, total traurig und ehrlich, find ich toll. Ich glaube das Gefühl kennen viele (mich eingeschlossen).
Dein 14-Jähriges Ich wäre sicher stolz auf dich und dein Outfit gefällt mir auch super gut.
Liebe Grüße
Luise von http://www.just-myself.com
Der Cardigan ist total schön und toller Text 🙂
Liebste Grüße
Jana
http://www.bezauberndenana.de
This cardigan is so pretty and it stands out beautifully with black outfit!:)
http://sunstreetbymonica.blogspot.com
Sehr sehr schönes Outfit. Am besten der Cardigan.
xx Lori
http://fabeau-trends.blogspot.de
Ich denke, dass dein 14 jähriges Ich stolz auf dich wäre. Und dass deine alten Klassenkameraden neidisch auf dich wären, auch wenn sie es nicht zugeben würden. Weil du was erreicht hast. Sie nicht.
Solche Erinnerungen bleiben irgendwie ein Leben lang, Narben bleiben Narben. Aber sie verblassen…
mega schön dieser Cardigan! 🙂
Ein schönes Outfit, aber bewegende Gedanken. Ich frage mich auch oft, wie es wohl sin wird später den verhassten Heimatort wieder zu besuchen.
Aber du hast etwas erreicht im Vergleich zu deinen Klassenkameraden. Die Zeiten, in denen sie dir überlegen waren sind vorbei. Jetzt bist du ihnen überlegen.
Alles Liebe, Salo
WOW – richtig tolles Outfit. gefällt mir mega gut 🙂
Auch deine Gedanken sind mal wieder echt bewegend.
Liebe Grüße,
Rebecissima
Schönes outfit. Steht dir fand Hut und das make up ist auch gut gelungen.
☺
http://www.jukafashionworld.blogspot.com
Der Text ist echt super geschrieben, konnte mich da richtig hineinversetzen. 🙂
Dein Outfit find ich auch toll, steht dir 🙂
Das Outfit steht dir wunderbar!
LG Lu
Great sweater!
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Total schöner Cardigan, die Farbe darin steht dir gut 🙂
Neben deinen Fotos mag ich deine Texte wirklich sehr – es lohnt, sich hier Zeit zu nehmen und sie ausführlich durchzulesen 😉
Liebste Grüße aus Berlin
Romi
romistyle.de
Du hast gar keinen Geschmack. Schreckliche Outfits!!!!
Ob da wohl jemand aus meiner Heimatstadt stammt 😀
Gut gekontert. 🙂
Du schreibst ja: "Wie lange braucht es wohl, bis man vergisst, bis man "darüber steht"?" – Ich glaube, das brauchst du (zumindest hier, wegen Beleidigungen) nicht mehr zu überlegen. 😉
Vielen Dank Lisa <3
Kurzfassung: Das Paradies ist 30 Kilometer von Kotze entfernt. Dort wo andysparkles lebt.
Haha nee – paradiesisch geht es hier nicht zu.
[…] wohl so treibt jetzt, 14 Jahre später. Noch ein Leben dazwischen. In meinem Freitagspost „Willkommen in der Heimat“ vor genau einem Jahr habe ich mich gefragt, wann man endlich darüber steht, über dem […]