Im Alter von 30 Jahren, nahezu 31 Jahren, da sollte man doch schon gesetzt im Leben sein. Wissen, was man will. Wo die Reise hingehen soll. Doch auf einem eigentlich völlig harmlosen Event, an einem Abend mit geselligen Schnittchen und Drinks, Gleichgesinnten und Firmen, die neue Werbeplattformen suchen, da frage ich mich völlig ernsthaft: Warum weißt du nicht was du willst?
Mein Wert wird über eine Smartphone Applikation bestimmt… oder so
Was lief 2018 eigentlich schief? Was lief genau richtig? Gestern wurde ich von einer völlig Fremden nach drei Sätzen gefragt, ob meine Follower auf Instagram überhaupt echt sind. “Ja, leider!!”, würde ich am liebsten rufen. “Denn ansonsten würde mich nicht jeder über eine App definieren und meinen Wert daran bemessen.” Klar, da gibt es Lösungen. Ich könnte mich löschen. Mein soziales Ich ausmerzen. Glaubt mir, über den digitalen Selbstmord habe ich schon ein oder zweimal nachgedacht. Doch natürlich fällt es schwer, die ganzen Jahre einfach wegzuwerfen. Ich bin seit 2014 ein “Instagrammer”. Habe Katzenpics und Bilder vom Frühstück hochgeladen und irgendwann ganze Jahre ausgelöscht. Über Jahre habe ich mich in dieser App weiterentwickelt. Von unscharfen, dunklen Katzenbildern und rosa Donuts über kostenlose Werbung für Teepackungen bis hin zu dem Versuch, etwas von Belang zu entwickeln, was virale Reichweiten erzielt.
Warum weißt du nicht was du willst?
Es stimmt nicht, ich weiß sehr wohl was ich will. Für den Moment. Eben hatte ich richtigen Durst, also kaufte ich mir eine Club Mate und genoss den bitteren Geschmack von dem Getränk, den so viele nicht mögen. Ich hätte jetzt auch, während ich das hier schreibe, so richtig Lust auf einen fetten Burger mit Pommes, ganz ehrlich gesagt. Wenn ich ganz genau darüber nachdenke, finde ich auch, Kino ist eine gute Idee für heute Abend.
Die wirklich großen Fragen machen mir nur Probleme. Wünsche ich mir eine Familie, einen Ehemann, zwei Kids und einen Golden Retriever? Oder bleibe ich eine Single-Lady mit meinen Kätzchen und futtere Sonntags eine Pizza im Bett, Netflix nebenan? Möchte ich mich politisch weiterbilden, meinen Schreibstil verbessern und ein Online-Magazin mit wirklich wichtigen Inhalten gründen? Suche ich eine Festanstellung in einem schicken Büro in Mitte (am besten bis zur Rente), oder lieber freiberuflich arbeiten?
Das Leben ist kein Netflix
Ich habe auf diesem Blog (oder überhaupt) noch nie viel über meine Kindheit geschrieben. Es ist unbestritten das dunkelste Kapitel in meinem Leben und ich habe mich in dieser Zeit, auch in meiner Jugend, super selten mit der Frage beschäftigen können, wie ich mir mein Leben vorstelle. Eigentlich ging es nur ums Überleben. Heute fühle ich mich in meiner privilegierten Situation oft fehl am Platz, in der es anscheinend so viele Möglichkeiten gibt, wie ich mein Leben gestalten kann. Ich kann nicht zwischen Lebensformen switchen, so wie ich mir heute dies und morgen das bei Netflix anschaue. Was ich entscheide, das hat eine gewisse Finalität. Wenn ich eine Familie möchte, kann ich kein Single-Leben mehr führen.
Warum weißt du nicht was du willst? Was mir hilft ist, mich oft zu hinterfragen. Fehler begehen, daraus lernen, hoffentlich. Vielleicht müssen wir gar nicht immer ganz genau wissen, was wir wollen, so lange wir immer bereit sind, neue Wege zu gehen und uns zu entwickeln.
1 Kommentar
Ich finde es einfach mega beruhigend, dass du mit deinen 30 Jahren noch die gleichen Fragen dir stellst, denn das zeigt, dass ich nicht einfach “hinterher” bin, sondern mitten drin! Ich bin mir sicher, dass wir beide unseren Weg finden, aber zu wissen, dass man nicht alleine ist, das hilft schommal 😉
Ganz liebe Grüße
Dorie von http://www.thedorie.com