Freitagspost

Freitagspost: Konsumopfer – wie gehe ich damit um?

12. Juni 2015
Sie sagt, sie hat nicht genug Geld für Kleidung. Dabei war sie letzten Monat erst am anderen Ende der Welt. “Du hast wohl noch zu viel Geld”, sage ich zu ihr und muss an die Tommy Hilfiger Sandaletten denken, die sie letzte Woche trug. Denn ich weiß genau wie es ist, wenn du nicht mal genug Geld für anständige Socken hast und deswegen auf dem Nachhauseweg von der Schule angespuckt wirst. Wenn du echt kein Geld hast, nicht mal einen Kaffee trinken gehen kannst. Einen anderen Kontinent habe ich übrigens immer noch nicht bereist.
Es gibt Tage, da würde ich  mir wünschen auf einem Bio-Bauernhof zu leben, alles selbst anzubauen und dem Konsum komplett abschwören. Ich bewundere Aussteiger für ihre Art zu leben und wie sie mit diesen Dingen umgehen. Das Witzige: Meistens sind Aussteiger genau die, die es gewöhnt sind, privilegiert zu leben. Dazu gehöre ich sicherlich nicht.
In meiner Jugend hätte ich mir nichts sehnlicher gewünscht, nur ein Viertel der Schminksachen, die ich heute besitze, zu bekommen. Ich habe mit 14 Jahren Nachhilfe gegeben in sozialschwachen Familien und mir mit den 5,50 Euro die ich pro Stunde verdiente, “Luxus”-Gegenstände gekauft. Einen Discman zum Beispiel. Die waren damals tatsächlich in.
Es ist wohl eine Ironie des Schicksals. Damals im Sportunterricht beneidete ich meine Klassenkameradinnen für die neuste Maybelline Mascara – für mich total unerreichbar. Heute schminke ich mich mit Urban Decay ohne mit der Wimper zu zucken.

 

Viele Dinge entstehen wohl aus der Not. Hätte ich Geld gehabt um ein Fotoshooting zu bezahlen, dann wäre ich wohl damals nicht bei dieser Misswahl mitgelaufen, um beim Gratis-Shooting teilzunehmen. Dann hätte ich nicht angefangen zu modeln und wäre nie auf die Idee gekommen, irgendwann diesen Blog zu gründen.
Doch wie gehe ich angemessen mit dem Konsum um? Denn mal ehrlich, natürlich kann ich mich nicht so viel cremen oder schminken, wie ich Produkte besitze. Ich werfe nichts weg, ich horte auch nichts. Stattdessen verlose ich und ich verschenke noch mehr.Trotzdem – als Blogger konsumiere ich mehr Kleidung als es andere tun – was will ich jetzt damit ausdrücken? Weil ich unprivilegiert aufgewachsen bin, ist es nun mein Recht? Nein. Aber ist es wirklich moralischer in einer Firma zu arbeiten, die zu einem Atomkraft-Konzern gehört, wie in meinem letzten Job? Oder in einem Supermarkt, der Eier und Fleisch aus zweifelhafter Produktion vertreibt? Wo fange ich an, über Moral nachzudenken? Vielleicht sollte man einfach überhaupt damit anfangen, sich mehr Gedanken zu machen. 

Mittlerweile kann ich gar nichts mehr wegwerfen. Ich weiß gar nicht mehr wieso. Letzte Woche dekorierten wir die Wohnung um und wir haben alles verschenkt. Küchentisch, Küchenstühle, Badschrank, Bauchtrainer, Kaffeemaschine, Gläser, Tassen – alles über eine Facebook Gruppe verschenkt. Es ist kaum zu fassen, wie viel Freude andere Menschen noch an den Dingen haben, für die du keinen Nutzen mehr hast. Früher brachte ich so etwas zum Wertstoffhof, weil ich gar nicht auf die Idee gekommen wäre.
Eine verkratzte Couch muss nicht in den Müll. Eine andere Katzenhalterin ist glücklich darüber. Das junge, hochschwangere Paar freut sich über ein neues Bad-Möbelstück und die Jungs aus der WG können noch was mit dem alten Küchentisch anfangen, den du nicht mehr sehen kannst.
Nennt mich einen Öko, aber ich trenne pedantisch den Müll und könnte fluchen, wenn die neue Nachbarin wieder ihren Restmüll in die Biotonne haut. Vor allem weil ich mich dann gezwungen sehe ihren Müll umzudeponieren. Ich trau mich nicht sie darauf anzusprechen, weil sie fast kein Deutsch kann und ich hoffe irgendwo, dass sie es doch mal checkt. Ich schleppe Jutebeutel mit mir herum zum Einkaufen. Ich fahre so oft es geht mit den Öffis oder laufe zu Fuß. Fleisch esse ich nur in Maßen und ich versuche energiesparend zu leben.
Konsum bringt Verantwortung mit sich. Auch wenn ich weiterhin bei großen Ketten einkaufe und jetzt nicht nur noch einen auf Fair Fashion mache, ich versuche bewusst zu konsumieren. Denn Kleinvieh macht nun mal echt viel Mist. 
Jacket*: Noisy May
Blouse*: ZNU
Leather Leggings: H&M
Booties*: Tommy Hilfiger
 
Pictures by Christine

 

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24 Kommentare

  • Antworten Juliane Ivory W. 12. Juni 2015 um 19:35

    Thumps up. Kleinvieh macht auch Mist und das nicht zu wenig.
    Ich denke, wenn jeder ein bisschen mehr auf sich selbst achtet, anstatt zu denken, dass er allein eh nichts ausrichten kann, würden wir schon viel erreichen.
    Unsere Umwelt würde es uns danken…

  • Antworten Just Myself 12. Juni 2015 um 19:43

    Einer der besten Beiträge, den ich seit längerem gelesen habe – toll geschrieben und du hast mit so vielem Recht!

    Liebe Grüße
    Luise | http://www.just-myself.com

  • Antworten kuhnographphotography 12. Juni 2015 um 20:01

    Wundervolle Bilder (mal wieder) und ein spannender Text in dem sooo viel wahres drin steht…
    lg Markus

  • Antworten Anonym 12. Juni 2015 um 20:12

    Etwas widersprüchlich bei solch einem Beitrag auch noch die "Sponsoren" namentlich zu erwähnen oder gar zu verlinken.

    • Antworten Hogwarts 12. Juni 2015 um 21:04

      Wieso denn? 🙂 Vielleicht hast du den Text nur überflogen?
      An dieser Stelle muss ich mal etwas loswerden: Warum ist jeder Kommentar, der nicht nur lobend ist, immer anonym? Das macht doch keinen Sinn. Prinzipiell sollte man anonyme Kommentare erst gar nicht freischalten, weil der Schreiber offensichtlich nicht zu dem steht, was er oder sie von sich gibt.

    • Antworten Sarah ❤ 14. Juni 2015 um 12:50

      Dem stimme ich voll zu Liebes!

  • Antworten Sabrina Bianca 12. Juni 2015 um 21:04

    Vor wenigen Jahren bin ich genau zur selben Erkenntnis gekommen… wir leben in solch einem Luxus, dass wir den Überfluss nicht mal mehr wahrnehmen. Und trotzdem sind wir nicht mal die, die im 'wahren' Luxus leben! Auch ich verschenke (oder verkaufe auch mal in seltenen Fällen) alles weiter, was ich nicht mehr brauche (oder wahrscheinlich nie gebraucht habe). Bevor wir umgezogen sind, haben wir ne ganze Menge Weihnachtsschmuck aussortiert und eine frisch getrennte Jungmutter hat die Sachen freudestrahlend abgeholt, das war wohl eines meiner schönsten Erlebnisse ever <3

    Liebst
    Sabrina

    PS: Und ja, auch ich hasse, wenn jemand den Müll nicht trennt. Genauso wenig mag ich es, wenn jemand die Pfandflaschen in den Mülleimer wirft anstatt sie daneben abzustellen…

  • Antworten Catharina Balk 12. Juni 2015 um 22:49

    Sehr schöner, reflektierter Beitrag von dir!

  • Antworten Saskia von P. 13. Juni 2015 um 05:58

    Toller Post. Ich finde auch, dass man mit kleinen Dingen etwas erreichen kann. Wegwerfen tue ich so gut wie nichts und das ist auch toll. Andere freuen sich wirklich und Dank ebaykleinanzeigen und Co. ist das mittlerweile auch echt einfach geworden.

  • Antworten Kath 13. Juni 2015 um 06:27

    Sehr sehr toller Text! Bringt einem zum Nachdenken 🙂

  • Antworten Denise 13. Juni 2015 um 06:31

    Ein toller Text, schön geschrieben und mit so viel Wahrheit.
    Die Bilder sind wundervoll!

    Liebe grüße! <3

  • Antworten Bearnerdette 13. Juni 2015 um 06:49

    Sehr guter Post. Ich finde es darüber hinaus auch wichtig, dankbar zu sein, für die Dinge die man hat und sie nicht als selbstversständlich anzusehen. Dann misst man ihnen auch automatisch mehr Wert bei. 🙂

    Grüße,
    Bearnerdette

  • Antworten The Darkensidejewel 13. Juni 2015 um 07:02

    Gute Worte! Wenn jeder so denken würde, dann hätten wir auf dieser Welt nicht mehr solche Probleme! 🙂

    Ich schäme mich mittlerweile sogar nicht mehr zuzugeben, dass ich hin und wieder bei KK auch mal gebrauchte Sachen kaufe. Warum auch nicht? Teure Marken habe ich hier fast neu bekommen oder eben in einem guten Zustand und das Mädel hätte es so nicht wegwerfen müssen.

    Liebe Grüße
    Darkensidejewel
    von
    http://www.butterfliesandhurricanes.de

  • Antworten Melli 13. Juni 2015 um 07:38

    ich weiß genau was du meinst, ich kann auch kaum was wegschmeißen und trage klamotten bis sie auseinanderfallen oder packe sie weg für den nächsten flohmarkt. als ich früher noch outfits gebloggt hab, hatte ich auch viel mehr druck jedesmal was neues zu zeigen, heute kaufe ich meist nur ein teil pro monat, oder wenn ich wirklich etwas brauche. ich denke mal bei dir ist da noch mehr druck, weil du viel öfter postest, aber es ist sehr gut, dass du dann viel verlost, oder verschenkst und dass du dir überhaupt darüber gedenken machst finde ich schon super.
    lg

  • Antworten paapatya' blog 13. Juni 2015 um 09:46

    sehr schöner Post. Entweder verschenke ich meine Sachen oder ich verkaufe sie für wenig Geld an andere. Aber wegwerfen tue ich grundsätzlich auch nichts.

  • Antworten Alina 13. Juni 2015 um 16:35

    Ich bewundere dich so sehr für deine Worte und deine Denkweise! Ich liebe es, dass du dich mit solchem Themen auseinandersetzt und es auch umsetzt. Wir können uns nunmal nicht 100% von all dem Konsum entziehen, leider, die Welt ist schon so festgefahren zum Teil dass es sehr sehr schwer ist auszusteigen. Aber die kleinen Dinge die wir in unserem Alltag ändern, die wir in unserem Leben besser machen – das zählt doch. Denn die Welt um 180° drehen das kann keiner. Hut ab für deine Einstellung, ich liebe sie <3

  • Antworten Ani 14. Juni 2015 um 09:39

    Ein toller Post. Finde es gut das du das auch so siehst. Ich bin genauso, schade das nicht alle so denken.

    LG
    Anika
    redheadbloggers.blogspot.de

  • Antworten Sarah ❤ 14. Juni 2015 um 12:51

    Toll geschrieben Liebes, das regt zum nachdenken an.

  • Antworten Rinka Inka 14. Juni 2015 um 18:51

    Ein sehr sehr toller Beitrag….ich finde mich in so viel wieder was du geschrieben hast…thumbs up :))

  • Antworten ivy 16. Juni 2015 um 16:14

    Hallo liebe Andy,
    ich hatte die Vorschau des Beitrages auf Insta schon gesehen und war sehr neugierig, das ist wirklich ein toller Beitrag, einer der interessantesten, den ich seit langem gelesen habe, ich frage mich das selbst auch immer wieder, wie das die anderen Blogger (vor allem Fashion Blogger) so machen, die täglich neue Outfits posten, wie viel die tatsächlich dann pro Monat kaufen und was passiert dann eigentlich mit den Sachen.. Ich mache es immer so, dass ich 1x Jahr meinen kompletten Kleiderschrank ausräume und alles durchgehe und was ich nicht brauche gebe ich entweder ich verschenke Sachen an meine Freunde, oder an die Kleiderspende oder wenn es so teurere Markensachen sind kann es auch sein, dass ich diese auf ebay reinstelle. Mit dem Verlosen ist auch eine tolle Idee, werde ich mir jetzt auch im Hinterkopf behalten für die Zukunft falls es mal wieder so weit sein sollte. Wünsch dir noch einen tollen Tag, viele liebe Grüße, Eva

  • Antworten Patricia Sophie Petit 19. Juni 2015 um 10:09

    Ein wahnsinnig inspirierender Post, Andy. Ich habe durch mein Shopping-Verbot eine ganz andere Sicht von unserer Konsum Gesellschaft bekommen. Wir alle leben im Überfluss. Denn Grundsätzlich muss ein Mensch nur seine Bedürfnisse befriedigen, damit er überleben kann. Das heißt essen, trinken, schlafen, atmen, soziale Kontakte ect und klar heutzutage gibt es Kinos, man geht gern Essen oder in die Mall. Aber so wirklich lebensnotwendig ist das nicht. Ich habe auch utopische wünsche, wie neue Louboutins. Aber ich verzichte bewusst auf viele kleine Dinge wie meine Dosis Buenos oder die monatliche Elle und frische Blumen. Es ist ultra erschreckend wie andere Menschen shoppen wenn man selbst grad nicht darf. Da gefallen manchen die Sachen nicht zu 100% und trotzdem wird es mitgenommen…oder die beliebten Gladiatorsandalen wandern eine Nummer zu klein in die Tüte. Bei Lebensmitteln bin ich wie du total Öko, wir kaufen so oft es geht auf dem Markt regionale und saisonale Produkte. Und ich muss sagen durch Essensplanung verringert sich die Verschwendung auf ein Minimum 🙂 Danke für diesen fabelhaften Artikel!

    Bisous aus Berlin
    THEVOGUEVOYAGE by Patricia Sophie Petit

  • Antworten Susan Dollparts 19. Juni 2015 um 13:06

    schönes shooting und auf jeden Fall ein ganz ganz großartiger Post.

  • Antworten Alexandra Remche 20. Juni 2015 um 06:22

    Hey, ich finde es gut wie du beschreibst, warum du so konsumierst, wie du konsumierst. Du schreibst, dass du keine Sachen wegwirfst. Meine Eltern sind im Kommunismus aufgewachsen und haben mich auch so erzogen! Das kann ich komplett nachvollziehen. Ich bin so ein Mensch, wenn ich die Sachen nicht mehr brauche gebe ich sie guten Freunden.(Letztens ein mega happy Kommentar: soooo gutes Buch) Das macht mir sehr grosse Freude. Ich finde es ist wichtig bewusst zu leben, da fängt es erst mit dem Konsum an.
    Aber man kann nicht überall drauf achten, woher es kommt, das ist einfach so.. Und wir leben in einer globalisierten Welt, wo so ziemlich alles im Ausland und anderswo produziert wird. Ich hoffe ich konnte dir weiterhelfen .Bis dann und ein au revoir von mir ..Alex:D 😀

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