Freitagspost: Ein Brief an mein 16jähriges Ich

Liebe Andrea,

man sagt doch, es wird meist ganz schlimm, bevor es dann besser wird. Irgendwie stimmt das auch. Nur sagt dir niemand, dass es so oft ganz schlimm wird und nur so selten besser wird. Du wirst dich an vielen Tagen fragen, woher du die Kraft nehmen sollst, immer weiter zu machen. Dich jeden Tag in dieses Leben zu stürzen. Du wirst dich ab und an fragen, ob es das wert ist. Ich würde dir sehr gerne sagen, dass alles gut wird. Doch auch jetzt, wo ich schon 30 Jahre alt bin, kann ich dir diese Hoffnung nicht geben. Denn es ist nicht alles gut. Doch es ist besser. Es ist auf jeden Fall viel besser.

Wenn ich dir nur 2 Ratschläge geben darf, dann sind das diese beiden hier.

Ich weiß, du und deine Schwester, ihr habt fast kein Geld. Doch wenn es irgendwie möglich ist, dann macht euch einen Internetvertrag. Ihr werdet ohnehin viel länger in dieser winzigen Wohnung leben, als du dir jetzt vorstellen kannst. Keine Angst vor Vertragsbindung und Internetcafés sind echt mies. Schließ einen Vertrag ab und fang an zu bloggen. Wenn du dich jetzt noch nicht traust, dann mach dir ein Synonym und tu es anonym. Melde dich bei  Blogger an und fang an zu schreiben. Verlier keine Zeit mehr.

Mein nächster Ratschlag ist noch ernster. Ich muss dir sagen, dass diese Menschen nicht gut für dich sind. Leider so ziemlich alle. Du hast dich sehr darüber gefreut, Freundinnen zu haben und mit ihnen auszugehen. Doch es ist keine gute Entscheidung. Vor allem solltest du dich vor J&J in acht nehmen. Diese beiden Mädchen werden dich in sehr große Gefahr bringen. Du wirst noch Jahre später mit Schuldgefühlen kämpfen und an dir selbst zweifeln. HÖR AUF mit ihnen abzuhängen und sag NEIN, wenn dich jemand fragt, ob du in diese Clubs mitgehen willst. Selbst wenn du alleine zuhause hockst, dir immer wieder die gleiche DVD reinziehst und vor Langeweile fast stirbst, ist es immer noch die bessere Lösung.

Doch nun kommen wir zu den schöneren Dingen

Eines Tages, das weiß ich ganz sicher, wirst du nach Kairo reisen und zu den Pyramiden von Gizeh gehen. Du wirst in der Wüste stehen und auf Kamelen reiten. Irgendwann, da stehst du auf dem Eiffelturm und dann in Dubai auf dem Burj Khalifa, der wird mal das höchste Gebäude der Welt sein.

Die Welt wird sich auch verändern, zumindest was die Möglichkeiten der Technologie angeht. Videotheken werden schließen. In ein paar Jahren wirst du für 8 Euro im Monat die genialsten Serien auf deinem Tablet immer anschauen können.

Du wirst genau das tun, was du immer tun wolltest, nämlich schreiben. Schreiben und reisen und dann darüber schreiben. Du wirst dir die schönen Dinge in dieser Welt anschauen, aber auch die abscheulichen. Tränen vergießen in Auschwitz und einer Zeitzeugin zuhören, die von der Stasi inhaftiert wurde.

Du wirst keine Angst mehr haben, allein zu sein. Und hey, bevor ich es vergesse: Ja, du wirst wirklich mal in Berlin leben. Ernsthaft jetzt. Es wird nur noch eine ganze Weile dauern.

Und vielleicht, vielleicht wird irgendwann doch noch alles gut.

Was würde ich mir selbst sagen, wenn ich könnte? Wenn ich einen Brief an mein 16jähriges Ich schicken könnte? Das war mein Brief. Was würdet ihr sagen wollen?