Das macht man doch nicht. Wie kannst du nur? Du musst so sein und nicht anders. Wir alle wachsen mit sogenannten Lebensregeln auf. Keiner kann davor so wirklich flüchten, ob sie nun in unserer Erziehung liegen und von der Gesellschaft anerzogen sind.

Woher kommt das eigentlich
Wenn deine Eltern Öko-Hippies sind und du auf die Waldorf-Schule gehst, bist du vielleicht von Geburt an gewöhnt zu tun was du möchtest, dich vegetarisch zu ernähren und kreativ auszuleben. Blöd nur, wenn du vielleicht irgendwann für dich entscheidest, lieber Beamter zu werden und einmal im Jahr auf Malle in der Sonne zu brutzeln statt ein Ashram in Indien zu besuchen.
Wir alle werden in ein gewisses “Setting” an Regeln hineingeboren. Die einen sind in einer Sekte und müssen andere ungläubige Menschen bekehren. Die anderen trifft es nicht ganz so hart, doch sie müssen dennoch in ihrer Gesellschaft funktionieren. In ihrem Mikrokosmos, der ihnen Regeln aufdirigiert und das Leben bestimmt.
Wenn du als Zeuge Jehovas aufwächst und dich in eine Ungläubige in der Schule verliebst, ihr dann auch noch zum Geburtstag gratulieren möchtest, dann empfindest du vor allem eins: Schuld. Diese Schuld wird dein Leben bestimmen. Schuld und Angst. Das ist meist genau das was uns davon abhält, glücklich zu sein und ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Vergiss diese Lebensregeln (und noch einige mehr)
Sei nicht so egoistisch
Egoismus bedeutet nicht, dass man nicht auch für andere da ist. Es ist absolut gesund, danach zu schauen, wie es einem selbst geht und im eigenen Interesse zu handeln. Sei ein Egoist – und sei gleichzeitig auch für deine Mitmenschen da.
Du musst gut im Team arbeiten
Oh wie ich es liebe. Teamfähigkeit. Stell dir mal vor, du bist einfach die Beste in deinem Job, nur du kannst nicht gut im Team arbeiten. Wen interessiert es?
Das kannst du doch nicht essen
Doch, kann ich! Wetten?
Lächle mehr!
Nein.
You Do You
Urban Dictionary:
You do You 1. the act of doing what one believes is the right decision, being oneself
Es gibt noch viele dieser Lebensregeln, die wir gerne loswerden dürfen. Sarah Knight listet sie in „You Do You“ alle auf und trifft damit einen Nerv. Ich hätte mich wegwerfen können bei dem Kapitel über das permanente Lächeln. Fremde Menschen auf der Straße, die meinen, sie müssten dir sagen, dass du lächeln sollst – ich bekomme innerlich Ausschlag davon.
Ich lächle eh schon ständig gequält, aus Angst, dass mir jemand wieder sagt, ich solle doch freundlicher gucken. Aber wofür? Damit niemand irritiert ist, dass eine Frau einfach neutral schaut? Das ist absurd. Schluss damit.

Was auch immer dir das Gefühl gibt, lebendig zu sein, solltest du nicht unterdrücken. Wenn es dich glücklich macht, solltest du es weiterverfolgen. (aus Shark Club)
If you’re not doing you, you’re screwing you. (Sarah Knight, You Do You)
Wie Lebensregeln uns klein halten – und warum wir sie oft nicht hinterfragen
Wir übernehmen diese Regeln so tief, dass wir sie für unsere eigenen halten. „Ich darf mich nicht beschweren.“ „Ich darf nicht anecken.“ „Ich muss es allen recht machen.“ Das sind Sätze, die klingen wie gesunder Menschenverstand, sind aber oft nichts anderes als internalisierte Erziehung.
Ich habe irgendwann gemerkt, dass viele meiner Entscheidungen nicht aus Freiheit entstanden sind, sondern aus Angst vor Ablehnung. Ein inneres „Das macht man so“, obwohl ich eigentlich genau das Gegenteil wollte.
Der Witz ist: Diese Regeln stammen meist aus einer völlig anderen Zeit. Unsere Eltern oder Großeltern brauchten sie, um in ihrem Umfeld klarzukommen. Wir brauchen sie nicht mehr. Trotzdem tragen wir sie mit uns herum, als wären sie unverhandelbar.
Und jedes Mal, wenn wir dagegen verstoßen, fühlen wir uns schuldig, obwohl wir niemandem etwas tun. Die Schuld ist ein Reflex, kein Wert.
Der Mythos vom „richtigen Weg“
Eine der gefährlichsten Lebensregeln ist die Vorstellung, dass es nur einen richtigen Weg gibt. Das lineare Leben: Ausbildung – Job – heiraten – Kinder – Haus – Rente. Alles außerhalb davon gilt als riskant, komisch, unvernünftig.
Dabei ist es oft genau das Unvernünftige, das uns lebendig macht.
Ein beruflicher Neustart.
Ein Umzug.
Ein kreatives Projekt.
Etwas ausprobieren, das nicht „sicher“ ist.
Und trotzdem hören wir im Hinterkopf diese altbekannten Stimmen: „Was, wenn du scheiterst?“ „Was sollen die Leute sagen?“ Diese Leute haben ihr eigenes Leben, ihre eigenen Regeln und ihre eigenen Ängste. Warum sollte das dein Kompass sein?
Lebensregeln vergessen – wie fühlt sich das eigentlich an?
Es ist kein magischer Moment. Kein Donner, kein episches Musikbett, das einsetzt. Es ist eher ein kleines, stilles „Ich glaube, ich darf das.“ Das erste Mal Nein sagen, obwohl die Situation schreit: „Sei brav.“ Das erste Mal etwas tun, das nicht ins familiäre Skript passt.Und dann merkst du plötzlich: Die Welt geht nicht unter. Niemand stirbt. Du wirst nicht verstoßen.Das ist Freiheit in kleinen Portionen. Und sie schmeckt jedes Mal ein bisschen intensiver.
Der schwierigste Schritt ist oft nicht das Tun, sondern das Aushalten der eigenen Schuldgefühle. Sie gehen nicht sofort weg. Aber sie verlieren ihre Macht.




2 Kommentare
Ein sehr schöne Beitrag. Ich musste direkt einen Song denke. Der war von der Melodie und so nicht ganz mein Fall, aber es wurde immer laut gebrüllt “Ich muss gar nichts, außer …” (es folgte eine Auflistung von Dingen, die die Sängern gerne tun wollte). Passt irgendwie.
Dein Beitrag gefällt mir wirklich gut. 🙂
Liebe Grüße, Lisa
https://litzkoblog.wordpress.com/