Die Vorstellung mit einem einzigen Partner im Leben alt und glücklich zu werden war für mich immer die Idealvorstellung. Die ganz große Liebe, der eine Partner, genau den für immer. Doch langsam kommt es mir so vor, als ob das genauso unrealistisch ist wie der neue Flughafen in Berlin und die Demokratie in Russland. Ich habe für mich selbst noch nie verstanden, warum ich noch weitere Partner suchen soll, wenn ich doch schon einen hab, den ich so sehr mag, dass ich meinen Alltag mit ihm teilen möchte. Tatsächlich scheint das Konzept der Monogamie allerdings gerade in Berlin (oder auch woanders?) ganz schön antiquiert zu sein.
42 Prozent der Tinder-Nutzer sind vergeben
Tja, auf der Single-App sind fast die Hälfte der User vergeben. Hat die Marktforschungsfirma GlobalWebIndex herausgefunden (Quelle: Zeitjung). Ich möchte mal gleich dazu sagen, dass das nicht alles Fremdgeher sind. Denn auch ich hatte auf Tinder schon oft die Erfahrung gemacht, dass mich verheiratete oder vergebene Männer anschreiben, die in einer offenen Beziehung leben.
Ganz ehrlich frage ich mich manchmal, wie viel Zeit die eigentlich haben. Zwischen Blog, Arbeit, Katzen, Freunden, Reisen und meiner Fast-Beziehung bleibt mir relativ wenig Zeit, um ausgedehnt Dates nachzugehen. Auf Tinder hatte ich immer das Gefühl, dass die meisten User dort hobbymäßige Dater sind. Damit meine ich, dass Dating einen so großen Teil in ihrer Freizeit ausmacht wie bei anderen das Training für einen Marathon oder Pferde züchten. Wenn die ihre Hobbys aufzählen, klingt das wahrscheinlich so: Chatten, Daten, in Bars gehen, neue Fotos schießen (für Tinder natürlich).
Geld oder Liebe? …wer Single ist, der will es auch bleiben
Tatsächlich stellt sich für viele heute nicht mehr oder die Frage, ob Familie gründen oder Karriere, sondern gleich ob Beziehung oder Karriere. Wer Single ist, kann schließlich im Job mehr leisten – oder eben nicht?
Aber man könnte natürlich auch grundsätzlich fragen, warum wir in einer Welt leben, in der einige das Gefühl haben, sich zwischen Beruf und Beziehung entscheiden zu müssen – und ob nicht viel mehr Kraft in der Idee steckt, sich ein Leben gestalten zu können, in dem man sich nicht entscheiden muss. Edition F
Natürlich gibt es auch Singles auf Tinder, doch die möchten dann erst gar keine Beziehung: 85% der 18-25jährigen Tinder Nutzer haben sogar mehrmals wöchentlich neue Dates – und möchten sich dennoch auf keinen Fall binden (Quelle: curved.de). Klingt erstmal paradox. Echte Nähe gegen flüchtige Flirts eintauschen?
Gibt es keine Monogamie mehr?
Momentan bin ich der Ansicht, dass viele Menschen ihr Potential nicht genug ausschöpfen. Damit meine ich nicht, dass sie unbedingt neue Partner suchen müssen oder sich mal ausleben müssen. Ganz viele Menschen leben ihr Leben nach den Erwartungen der Gesellschaft, haben panische Angst vor Alleinsein und gleichzeitig vor zu viel Nähe. Beides scheint unerträglich: Sowohl die Verpflichtung einem Partner gegenüber als auch die Abende ganz alleine mit sich selbst.
Was ist die Alternative? Eine Fast-Beziehung – so eine Mischung aus offener Beziehung und Friends with Benefits, wie sie ganz viele leben oder eben “Massen-Tinder-Dating”. Ich weiß nicht viel über offene Beziehungen oder Polyamorie, wie sie oft in Berlin gelebt wird. Eine Beziehung mit mehreren Menschen? Kommunen-Leben? Autark auf dem Bauernhof in der Gemeinschaft? Das ist schon sehr speziell. Ich kann mir darüber kein Urteil fällen, für mich wäre es sicherlich keine Alternative. Genauso wie eine Beziehung ohne Monogamie.
Macht das Massen-Dating glücklich? Ich denke nicht. Auf Dauer nicht. Im Grunde sehen wir uns alle nach einer engen Verbindung mit uns selbst und einigen anderen Menschen, Partner und gute Freunde. Wenn das nicht möglich ist, ist es an der Zeit die eigenen Probleme und Wunden der Vergangenheit aufzuarbeiten. Doch das ist der wirklich unbequeme Weg…
2 Kommentare
Halo Andrea
Kopf hoch – Monogamie gibt es noch! Ich bin zum 2. mal verheiratet und habe es noch besser getroffen als erwartet!. Mit ihm lebe ich jetzt 12 Jahre zusammen und davon 6 Jahre Sexlos. Gewollt von beiden Seiten. Mit meinem ersten Mann hatte ich Sex, wie das mal nun so ist. Nur Vergnügen hat es mir nie bereitet. ( wie Sex im allgemeinem nicht nach 2 Vergewaltigungen im Alter von 14 und 17 Jahren). Nachdem nach 6 Jahren alles ausgesprochen war – auch mein Mann findet Sex ziemlich Sinnlos – leben wir glücklich und zufrieden und sind dennoch verliebt wie am ersten Tag. LG Perdita
Ich finde diese Haltung immer und überall Angst zu haben etwas zu verpassen ist das, was sich auch im Partnerverhalten niederschlägt. Man hat eigentlich eine tolle Beziehung, aber ständig wird weiter getindert und abgecheckt, ob es noch andere Optionen gibt. Es wird nicht mehr ausschließlich und in Ruhe betrieben, Partnerschaft eben auch nicht. Zumindest sind die, die man bei Tinder & Co findet sicher so drauf. ich habe dieses Online-Dating auch eine Zeit (vor langer Zeit) betrieben und aufgegeben. Ich bin derzeit nicht auf der Suche, denke aber, dass man sicher den richtigen für eine monogame Beziehung her durch Zufall trifft und wenn man offen ist. Und ich glaube auch an Monogamie. Wenn ich jemanden liebe, dass habe ich auch kein Bedürfnis mich anderweitig umzuschauen. Und man sollte seien eigenen, vielleicht falschen, Erwartungen überprüfen. Vielleicht hat er die “falsche” Haarfarbe, ist 3 cm kleiner als man selbst oder ist eben Altenpfleger und nicht gut betuchter IT-Manager. So what. Es gibt sie noch, aber sicher nicht bei Tinder… Ich habe da auch selbst mal einen Beitrag über Frauen und ihre Erwartungen geschrieben, z.B. an die Größe eines Mannes.
https://stylepeacock.com/kleine-maenner/
Viele liebe Grüße
Chris
https://stylepeacock.com