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Weihnachten ohne Familie – wie ist das eigentlich?

24. Dezember 2021
Weihnachten ohne Familie

Ich hatte immer Angst vor Weihnachten. Als ich noch ganz klein war, da war das der Tag, an dem diese gefährliche Anspannung in der Luft lag. Es war klar, dass der Abend kein gutes Ende nehmen wird. So war es auch. Es gab allerdings viele Geschenke. Denn wo die tatsächliche Liebe und Wärme fehlte, wurde eben das schlechte Gewissen beruhigt mit dem Kauf von viel unnützem Spielzeug. Für mich war Weihnachten immer die Zeit im Jahr in dem mir so wirklich, wirklich bewusst wurde, dass da was gewaltig nicht stimmt in meiner Familie. Heute, 30 Jahre später, verbringe ich das Fest mit Freunden. Es ist besser, als sich alleine in miesen Gedanken zu wälzen. Über die Jahre habe ich vieles ausprobiert. Arbeiten an Weihnachten, verreisen, zu anderen Familien gehen.

30something Kolumne auf andysparkles

Weihnachten ohne Familie

Warum feiere ich Weihnachten ohne Familie?

Ich hasse diese Frage. Hier in Berlin fragt man total oft, wer über die Feiertage nach Hause fährt. Die meisten sind schließlich zugezogen. Wenn ich das verneine, gibt es meistens Fragen dazu. Ich hasse diese Frage so, so sehr. Wie soll ich das in ein, zwei Sätzen beantworten? Will ich überhaupt so viel preisgeben über mich an diese Person? Manchmal komme ich mir dann vor als wäre ich die einzige Person auf der ganzen Welt, die Weihnachten ohne Familie verbringen muss.

Seit über drei Jahren habe ich keinerlei Kontakt mehr zu meiner Familie. Es war die einzig mögliche Lösung, um wenigstens zu versuchen, ein normales Leben zu führen.

Während ich meinen Vater nie wirklich kennen gelernt habe, ist meine Mutter psychisch viel zu krank. Sie weigert sich auch, sich behandeln zu lassen und so war Kontaktabbruch im Jahr 2016 die einzig mögliche Konsequenz, um nicht selbst daran zu Grunde zu gehen. Die ganze traumatische Kindheitssituation hat auch dazu geführt, dass die Differenzen mit meiner Schwester zu groß geworden sind. Zu wenig Verständnis für die Situation des jeweilig anderen, es ist zu viel passiert.

Während ich das schreibe, fange ich an zu weinen. Ich mag die Vorstellung von Familie, von einem Fest mit den Liebsten. Doch es ist nicht möglich für mich und es war es auch nie. Das wird immer wehtun. Vor allem an solchen Tagen. Die Pandemie hat das nicht einfacher gemacht. Denn selbst Reisen ist jetzt nur noch sehr eingeschränkt möglich.

Weihnachten ohne Familie

Hilfe für den Notfall

Natürlich bin ich jedoch nicht die einzige, für die Weihnachten eine schwere Zeit ist. Wenn es euch auch so geht, dann könnt ihr Hilfe suchen. Unter 0800 111 0111 könnt ihr die Telefonseelsorge erreichen. Es gibt in Berlin den Berliner Krisendienst, dort könnt ihr auch anrufen. Das habe ich auch schon mal gemacht! Schämt euch also nicht dafür und sucht euch Hilfe, wenn ihr sie braucht.

So ist das Fest für mich

Diese ganzen Tipps, die man im Internet so findet, helfen nicht besonders viel, gerade in Zeiten der Pandemie. Verreisen oder Events sind schwierig aktuell. Bei Freunden fühlt man sich oft auch nicht ganz zugehörig. Dennoch denke ich, mit Freunden ist es besser als alleine. Sonst kommen doch zu viele Gedanken hoch. Deswegen habe ich mich dieses Jahr auch für Weihnachten in ganz kleinem Kreis mit Freunden entschieden. Früher habe ich oft gearbeitet an diesen Tagen oder war verreist. Das ist auch eine Möglichkeit. Ich finde es auch wichtig, die negativen Gefühle zuzulassen, doch nur bis zu einem bestimmten Punkt. Ohne sich reinzusteigern. Dabei hilft mir eine Routine, tägliche Bewegung (Spazierengehen oder Yoga) sowie genug Schlaf.

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Wie verbringst du dieses Jahr Weihnachten?

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5 Kommentare

  • Antworten Monika Richrath 24. Dezember 2021 um 12:15

    Liebe Andrea,

    dein Artikel hat mich sehr gerührt. Ich feiere Weihnachten überhaupt gar nicht mehr, weil ich mit 18 ein richtig traumatisches Weihnachten erlebt habe. Ich habe schon allerhand ausprobiert, seit ein paar Jahren koche ich an diesem Abend für eine ganz erlesene Handvoll Freunde (immer die gleichen), wir sitzen zusammen, wir reden, wir legen Orakel und das ganze Weihnachtsgedöns hat gar nichts mit mir mehr zu tun. Das stört mich auch nicht mehr. Vor ein paar Jahren habe ich begonnen, mich mit den Rauhnächten zu beschäftigen, und das ist viel wichtiger geworden, weil es eine Reflexionszeit zwischen den Jahren ist. Empfehle ich wärmstens … (ich gebe dir mal einen Link zu einer ganz einfachen Anleitung für die Rauhnächte, die ich mal geschrieben habe:
    https://www.eft-fuer-hochsensible-menschen.de/die-rauhnaechte-eine-anleitung-fuer-eine-besondere-zeit/

    Liebe Grüße und eine schöne Zeit für dich
    Monika

  • Antworten Lina 24. Dezember 2021 um 13:53

    Hab paar Tränen verdrückt 😔❤️🎄. So ehrlich und schön geschrieben. Sende Liebe raus an dich und dein großes Herz und alle die heute mit dir zusammen sind 😘.

  • Antworten Emely 24. Dezember 2021 um 16:09

    Oh dein Beitrag hat mich zu Tränen gerührt. So traurig und gleichzeitig wundervoll geschrieben.
    Schade dass du am ganz anderen Ende von Deutschland wohnst. Ich hoffe du kannst das negative hinter dir lassen und trotzdem etwas schönes in den nächsten Tagen erleben.

  • Antworten Sandy 25. Dezember 2021 um 13:32

    Meine Liebe, fühl dich ganz doll gedrückt! Es macht mich irgendwie total traurig, so etwas zu lesen, denn ich kann einfach nicht verstehen wie man von der eigenen Familie so behandelt werden kann.. aber du hast recht. Da ist es manchmal besser, den Kontakt abzubrechen und sich von negativen Menschen zu distanzieren, anstatt dass man sein eigenes Leben auch noch aufgeben muss. Ich hoffe, dass du dennoch die richtigen Menschen im Leben gefunden hast, bei denen du dich wohlfühlen kannst. Familie müssen nicht immer die Menschen sein, mit denen man verwandt ist, sondern bei denen man sich am wohlsten fühlt <3.
    Frohe Weihnachten und ganz liebe Grüße!

  • Antworten Patricia 25. Dezember 2021 um 19:21

    Oh es tut mir furchtbar leid das zu lesen. Ich kann es zumindest teilweise nachfühlen, da ich 2018 den Kontakt zu meinem Vater abbrechen musste, um mich und meine Töchter zu schützen. Dass es mit deiner Schwester auch noch in die Brüche gegangen ist, tut mir besonders leid. Fühl dich gedrückt. ♥️

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