Auf meinem Schulweg musste ich immer von der Bushaltestelle aus einen Berg hinauflaufen. Eine Gruppe von Mädchen läuft hinter mir her, sie fangen an zu kichern, sobald sie mich erkennen. “Schau mal, da läuft der Mohrenkopf.” Sie bilden Sprechchöre, verhöhnen mich den ganzen Weg bis zum Eingang des Gebäudes. Natürlich hatte diese “Mohrenkopf-Sache” einen Hintergrund. Ein Mitschüler hat mir in der Pause einen “Mohrenkopf”, wie wir sie damals noch nannten und keiner fand das rassistisch, auf den Kopf geschlagen. Die Lehrer haben das natürlich gesehen, als ich total verschmiert auf dem Weg zur Toilette war. Doch hat es jemanden interessiert? Danach war das einer meiner zahllosen Spitznamen in der Schulzeit. Das war nicht mal mein schlimmstes Mobbingerlebnis. Jetzt, wenn ich die Nachrichten lese über den Suizid eines Models, dass Opfer von Cybermobbing wurde, kommt das natürlich auch bei mir wieder hoch. Warum tun Menschen einander so etwas an?
Mobbing in der Schulzeit – meine Erfahrungen
Ich war schon immer eine Zielscheibe für die anderen Kinder. Das fing ziemlich schnell an auf dem Gymnasium und auf meiner nächsten Schule ging es damit weiter. Nicht mal in der Berufsschule hat das aufgehört. Selbst als ich auf meine mündliche Prüfung im Flur gewartet habe, musste ich mir laute Lästereien und Beschimpfungen über mich anhören. Von fremden Mädchen.
Ich hatte auf der einen Seite ständig Angst durch die Gänge zu laufen, weil ich mir jeden Tag abfällige Bemerkungen zu meinem Aussehen anhören konnte und auf der anderen Seite auf dem Nachhauseweg Angst davor hatte, wieder angespuckt oder angegriffen zu werden.
Ich habe mich oft gefragt, woran das lag. Natürlich hatte ich einen schlechten Start, durch meine schlimme Kindheit und die schlechte Situation von Zuhause aus war mein Selbstbewusstsein natürlich immer schon im Keller. Kinder spüren das. Sie sehen ein leichtes Opfer und fallen darüber her. Es klingt so hart, doch leider musste ich es genauso erleben. Natürlich bin ich keine Psychologin, die genau beurteilen kann, worin da die Gründe liegen, doch so hat es sich für mich angefühlt.
Ich war selbst ein extrem schüchternes Kind, auch als Teenager war ich sehr verschlossen und ruhig. Egal was die anderen Mädchen taten, ich bin selbst niemals handgreiflich geworden oder habe jemanden beschimpft.
Jahre später habe ich einen ehemaligen Mitschüler getroffen, der damals zu mir sagte, dass er selbst gemobbt hat (nicht mich, immerhin), um nicht selbst zum Opfer zu werden.
Im Nachhinein muss ich sagen, ich bin lieber Opfer als Täter.
Aktuell erlebe ich natürlich auch, da ich schon seit acht Jahren hier auf meinem Blog und auf Instagram sehr aktiv bin, immer mal wieder Cyberhass. Es sind keine großen Ausmaße, alle paar Monate kommen mal abfällige Bemerkungen, meist zu meinem Aussehen.
So habe ich mit den Mobbing-Erfahrungen abgeschlossen
Ich habe kein Problem damit zuzugeben, dass auch ich viele Jahre ein Mobbing-Opfer war. Es ist keine Schwäche und auch keine Schande, es ist kein Zeichen dafür, dass etwas mit mir nicht stimmt. Eher im Gegenteil. Es ist ein Zeichen dafür, was mit diesen Menschen nicht stimmt, die dafür verantwortlich waren.
Ich habe damit abgeschlossen. Was mir geholfen hat, war zum einen mir klarzumachen, dass es nie meine Schuld war und je mehr ich darüber nachgedacht habe, umso mehr habe ich fast schon Mitleid empfunden für meine Peiniger von damals. Ich habe Vergebungsmeditationen gemacht, viele Artikel und Podcasts zu solchen Themen gehört und das hat mir sehr dabei geholfen, mit allem richtig abzuschließen.
Mobbing ist im Netz heute ein riesiges Thema geworden
Jeden Tag verbringe ich viele Stunden mit Social Media und beobachte auch dadurch, was für ein Thema Cybermobbing geworden ist. Kasia Lenhardt, die kürzlich Suizid begangen hat. Erst diese Woche ein enormer Shitstorm mit schlimmen Beleidigungen gegen Marina Hörmanseder, deren Auftritt bei Germany’s Next Topmodel nicht allen gepasst hat. DariaDaria, die seit Jahren ständig und wegen allem unter Shitstorms zu leiden hat. Oliver Pocher und seine Bildschirmkontrollen, dessen Opfer unter Mobbing, sogar Morddrohungen, zu leiden haben. Letztes Jahr erst hatte die Ex-GNTM Teilnehmerin Lijana nach der Sendung Morddrohungen beklommen, wurde auf der Straße bedroht und angespuckt. Selbst ihren Hund wollten sie vergiften. Ins Finale musste sie mit Polizeischutz kommen.
Es macht mich traurig, so etwas mitanzusehen.
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6 Kommentare
Mobbing, ist so widerlich… Es schleicht sich so schnell ein und kann brutale Ausmaße nehmen. Ich war in meiner Jugend auch nicht davor geschützt, doch habe mich leider auf die körperliche Art zu Wehr gesetzt.
Das musste ich auch erstmal lernen dass das nicht sich optimale Verteidigung war. Heute kann ich mich verteidigen und hoffe viele lernen es auch noch…
Ich habe leider in meiner Schulzeit auch Mobbingerfahrungen machen müssen. Und es ist einfach super wichtig über das Thema immer wieder zu sprechen. Gut, dass du das tust!
Ich habe leider auch Mobbingerfahrungen hinter mir, auf der Gesamtschule wars ganz schlimm und das mehrere Jahre lang. Nicht schön =(
Danke für diesen ehrlichen und wichtigen Beitrag! Es ist so toll dass du dich traust darüber zu schreiben!!
[…] über 30 war, wirklich gelungen. Dazu habe ich auch schon mal einen eigenen Artikel geschrieben: Wie ich Mobbing in der Schulzeit erlebt habe. Sehr spannend finde ich, was zu diesem Thema aktuell in Frankreich passiert. Sollte Mobbing in der […]
Liebe Andy,
vielen Dank für Deinen sehr bewegenden Beitrag! Das ist so mutig von Dir und vom Thema her unglaublich wichtig, dass darüber offen und nachdrücklich kommuniziert wird! Mobbing umgibt uns immer und überall. In der Schule, im Internet und später im Berufsleben. Wichtig ist es darauf aufmerksam zu machen und den Finger in die Wunde zu legen, damit in der Gesellschaft nicht einfach weggeschaut wird. Am Arbeitsplatz kann es helfen den Betriebsrat einzuschalten und wenn das nicht hilft sich einen Mobbing Anwalt zu suchen, der auf das Thema spezialisiert ist und eine Arbeitsrecht Beratung anbietet. Betroffene sollten wissen, dass sie nicht alleine sind und sich Hilfe holen können.
Liebe Grüsse