Wie immer bin ich gestresst, weil ich viel zu spät dran bin zu meinem Termin, die Tram auch zu spät dran war und noch dazu Schienenersatzverkehr ist. Da stehen ein paar Mädels hinter mir und spielen lautstark Clips auf ihrem Smartphone ab. Klar, wozu gibt es auch Kopfhörer? Geht doch auch ohne! Die Wut rollt in mir in diesem Moment hoch und explodiert förmlich in meinem Kopf. Was mache ich jetzt damit? Wut ist ein sehr mächtiges Gefühl, zumindest fühlt es sich wohl für jeden von uns so an. Noch mächtiger ist die Wut, wenn sie unterdrückt wird. Da Wut schon in der Kirche als Todsünde angesehen wurde, ist es natürlich naheliegend, sie gar nicht erst zuzulassen. Das Stigma ist zu groß. Doch je länger wir sie unterdrücken, umso übermächtiger wird sie. Ein Teufelskreis?
Meditationstraining zum Thema
Ein ganzer Absatz in meiner Meditationsapp Headspace beschäftigt sich mit dem Thema Umgang mit Wut. In den 10minütigen Meditationen wird beschrieben, dass die Wut erstmal gar nicht bewertet werden sollte. Wut ist nicht schlecht oder gut. Sie ist ein Gefühl, eine Energie. Wir lassen uns schnell von ihr leiten, uns von ihr kontrollieren. Dabei können wir auch versuchen, sie erstmal zu beobachten und das Gefühl zuzulassen. Probleme entstehen durch unterdrückte Gefühle. Dazu habe ich auch schon mal geschrieben: Können Gefühle krank machen?
Unterdrückte Wut durch Verletzungen in der Kindheit
Durch die zahlreichen Traumata in meiner Kindheit hat sich bei mir viel Wut angestaut. Lange Jahre war mir nicht mal bewusst, woher das überhaupt kommt. Ich dachte immer, ich bin eben so. Doch wenn du jahrelang starke Verletzungen erleidest, dann ist es klar, dass so etwas nicht ohne Spuren bleibt. Wichtig ist jetzt, wie gehe ich als Erwachsene damit um?
Ich möchte hierzu einen Absatz aus emotion.de zitieren:
Hast Du Lust, die lange unterdrückte Wut auszuleben? Vielleicht ist die Befriedigung es wert, dass Beziehungen daran zerbrechen. Vielleicht ist es auch dringend nötig, dieser Person eine klare Grenze zu setzen. Dann überlege, wie Du die eindeutig formulierst.
Wie ich als Missbrauchsopfer mit Gefühlen der Ohnmacht umgehe
Missbrauchsopfer, so wie auch ich, erleben immer wieder Gefühle der Ohnmacht. Unsere Bedürfnisse wurden übergangen, wir werden nicht gehört oder ernst genommen. Es ist zur Lebensaufgabe geworden, Grenzen zu setzen. Schließlich durften wir nie eigene Grenzen setzen.
So etwas hinterlässt eine unbändige, unterdrückte Wut. Ich habe mir überlegt, wie ich damit umgehen kann. Das war auch einer der vielen Gründe, mit dem Kampfsport anzufangen. Boxen ist eine gute Therapie! Ebenso auch Meditation, viel Ruhe und Zeit für sich selbst. Ab nächster Woche beginne ich eine Therapie und hoffe auch damit weitere Erfolge zu erzielen. Die Traumatisierung bestimmt bis heute noch zu sehr mein Leben, weil ich in vielen Situationen daran erinnert werde und mich wieder hilflos fühle. Es ist wichtig, sich immer wieder klarzumachen, dass die Zeit der Hilflosigkeit vorbei ist.
Für mich ist es ein großes Ziel geworden, mich für Missbrauchsopfer und mentale Gesundheit einzusetzen. Deswegen möchte ich hier in dieser Kolumne über meinen Weg und meine Erfahrungen berichten!
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